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Verzeichnis der sogenannten „Schlüterschen Mineraliensammlung“
Blumenbach-Kontext
Umfang der Schenkung von 1777
Aufbau des Verzeichnisses
Leibnizsche Fossilien
Umfang der Schenkung von 1777
Aufbau des Verzeichnisses
Leibnizsche Fossilien
Universitätsbibliothek und Academisches Museum Göttingen um 1800. Aquarell von Johann Christian Eberlein (1778–1814); Ausschnitt. Für größere Ansicht und Erläuterungen anklicken.
Blumenbach-Kontext
Im Jahr 1777 gab die Königliche Bibliothek in Hannover zahlreiche mineralogische, geologische und paläontologische Objekte an das Academische Museum der Universität Göttingen ab. Blumenbach war im April 1777 in Hannover, um die Übernahmeformalitäten durchzuführen und den Transport zu organisieren (vgl. Dougherty, Frank William Peter: The correspondence of Johann Friedrich Blumenbach. Rev., augm. and ed. by Norbert Klatt. Band 1. Göttingen: Klatt, 2006, Brief Nr. 60 (2. Apr. 1777); amtliche Korrespondenz zur Abwicklung der Schenkung ebd., Briefe Nr. 51–64 (9. Jan.–23. Mai 1777)). Die nach Göttingen abgegebenen rund 1.600 Objekte sind in dem von Blumenbach 1778 vorgelegten „Catalogus“ des Academischen Museums bereits enthalten. Sie machen ca. 13 Prozent von dessen Umfang (mehr als 12.000 Katalognummern) aus.
Zu der Sammlung existiert ein Verzeichnis, das zu einem bisher unbekannten Zeitpunkt, aber offenbar vor der Übergabe der Objekte an das Academische Museum, angefertigt wurde (heute: Niedersächsisches Landesarchiv Hannover, NLA HA Hann. 92 Nr. 1016). Durch einen Abgleich mit Blumenbachs „Catalogus“ lässt sich die Provenienz zahlreicher Objekte im Academischen Museum und in den daraus hervorgegangenen heutigen Göttinger Universitätssammlungen ermitteln. Das Projekt „Johann Friedrich Blumenbach – online“ stellt mit Erlaubnis des Niedersächsischen Landesarchivs Hannover ein Digitalisat des Verzeichnisses online zur Verfügung.
Digitalisat (28 MByte) öffnen bzw. herunterladen.
Blumenbach-Kontext
Aufbau des Verzeichnisses
Leibnizsche Fossilien
Umfang der Schenkung von 1777
Bei den 1777 nach Göttingen abgegebenen Objekten handelte es sich vor allem um die Sammlung des Goslarer Metallurgen und Bergbaufachmanns Christoph Andreas Schlüter (1668–1743), die sogenannte „Schlütersche Mineraliensammlung“. Sie war 1750 für die Königliche Bibliothek in Hannover angekauft worden (vgl. Dougherty, a.a.O., Brief 56). Schon 1759 hatte der Göttinger Professor und Bibliotheksdirektor Johann Matthias Gesner (1691–1761) ihre Nutzung als Lehrsammlung für die Universität Göttingen vorgeschlagen (vgl. Nawa, Christine: Sammeln für die Wissenschaft? Das Academische Museum Göttingen (1773–1840). Göttingen 2010, S. 43; Digitalisat). Die Sammlung umfasste 1595 Metall- und Mineralienproben.
Nach Göttingen abgegeben wurde auch ein Schrank zur Aufbewahrung der Sammlung (Dougherty, a.a.O., Brief Nr. 54; in Brief 56 ist die Rede von mehreren Schränken und Behältnissen). Eine Abschrift des von Blumenbach angefertigten „Catalogus“ des Academischen Museums enthält zwei Federzeichnungen mit Innenansichten des Museums. Eine der Zeichnungen zeigt auch den Schrank aus Hannover. Er hat – außer drei Vitrinenzonen mit insgesamt 13 Regalböden – 36 Schubladen. Es könnte sich um die 36 Schubladen handeln, die in einer Inhaltsübersicht der Schlüterschen Sammlung aufgelistet werden (siehe „Aufbau des Verzeichnisses“). Im Academischen Museum diente der Schrank nicht mehr zur Aufbewahrung der Schlüterschen Sammlung, die nicht separat aufgestellt, sondern in das Ordnungs- und Aufbewahrungssystem des Museums integriert wurde. Der Schrank enthielt nach Ausweis der Bildunterschrift zu einer der genannten Zeichnungen „Gypsartige […] Kieselartige […] [und] Thonartige Steine“.
Das Academische Museum erhielt auch eine 1730 für die Königliche Bibliothek in Hannover angekaufte, besonders wertvolle Silberstufe (Dougherty, a.a.O., Brief Nr. 57 (5. März 1777)), die jedoch im Januar 1783 aus dem Museum gestohlen wurde (Nawa, a.a.O., S. 73–74; Digitalisat).
Schrank im Academischen Museum. Federzeichnung aus einer Abschrift des „Catalogus“ des Academischen Museums (London, British Library, London, King’s Mss. 394, fol. 4r), entstanden 1778.
In einer Abbildungs­legende, a.a.O., fol. 3r, wird dieser Schrank als „der große Schrank aus der Bibliothek zu Hannover“ bezeichnet. Es handelt sich vermutlich um den Schrank, der in Hannover zur Aufbewahrung der Schlüterschen Sammlung angefertigt und 1777 nach Göttingen abgegeben worden war.
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Umfang der Schenkung von 1777
Leibnizsche Fossilien
Aufbau des Verzeichnisses
Das Verzeichnis umfasst 45 beidseitig beschriebene Blätter (moderne Foliierung: 48 bis 92; fol. 92v leer). Darin sind die Objekte in tabellarischer Form mit einer kurzen Beschreibung und der Angabe von Herkunft und Gewicht aufgelistet, was ihre Identifikation in späteren Sammlungen und Sammlungsverzeichnissen ermöglicht.
Das Verzeichnis beginnt mit einer Auflistung von 36, mit römischen Ziffern bezeichneten Schubladen eines Schrankes, in dem die Sammlung aufbewahrt wurde („Specificatio der Auszüge in dem Cabinet und was darin verwahret wird“). Als Inhalt der Schubladen werden jeweils Proben eines oder mehrerer Metalle oder Minerale in verschiedenen Erscheinungsformen angegeben: Die Schubladen I bis XXXIII enthalten Metalle bzw. Halbmetalle (Gold, Silber, Blei, Kupfer, Zinn, Quecksilber und Zinnober, Eisen, Antimon, Wismut, Kobalt), die Schubladen XXXIV bis XXXVI Minerale (Alaun, Vitriole, Schwefel, Blenden, Asbest, versteinertes Holz, „Stein-Marck“, Galmei, Bergkristall, Granat, Amethyst, Carneol).
Specificatio der Auszüge in dem Cabinet und was darin verwahret wird. Beginn des Verzeichnisses der „Schlüterschen Mineraliensammlung“, Niedersächsisches Landesarchiv Hannover, NLA HA Hann. 92 Nr. 1016. Zum Öffnen der gesamten Verzeichnisses (PDF, 28 MBytes) anklicken.
Die folgenden Seiten enthalten jedoch nicht 36, sondern mehr als 49 Tabellen zu insgesamt 56 „Aus­zügen“. Der Inhalt einiger Auszüge wird nicht in einer eigenen Tabelle aufgelistet, sondern innerhalb anderer Tabellen unter Voranstellung des Vermerks „Nr.“ und (meist) arabischer Zahl (z. B. „Nr. 30“ innerhalb von Tabelle „XXIX“; „Nr. 31“ innerhalb von Tabelle „XXII“ [lies „XXXII“]). Die Reihen­folge der Stoffklassen ist in der „Specificatio“ und im Tabellenteil identisch, und auch die Bezeichnungen der Schubladeninhalte in den Tabellenüberschriften sind bis auf wenige, lediglich sprachliche Varianten identisch. Die höhere Zahl der „Auszüge“ im Tabellenteil des Verzeichnisses ergibt sich dadurch, dass einige Stoffklassen mehr „Auszüge“ einnehmen als in der „Specificatio“ angegeben werden (vgl. PDF-Datei mit synoptischer Tabelle).
Dass sich die 56 Tabellen im Prinzip an den Schubladen eines oder mehrerer Möbelstücke orientieren, geht z. B. aus einem Zusatz zu Tabelle LIV (fol. 92r) hervor: „NB. Von Nro 13. bis zu Ende liegt oben in der LIII Lade.“ Unklar ist die Bedeutung des Zusatzes „In dem untersten Theile“ bzw. „In dem obersten Theile“ bei einigen Auszugsbezeichnungen sowohl in der „Specificatio“ als im Tabellenteil des Verzeichnisses. Vielleicht handelt es sich um einen Verweis auf den oberen, vitrinenartigen Teil des Aufbewahrungsschrankes (s.o.) und dessen unteren Teil mit den Schubladen.
Die Tabellen tragen als Überschriften eine römische Zahl und eine Angabe zu der Stoffklasse, zu der die Proben gehören („In diesem Auszuge ist/sind […]“). Wenn eine Tabelle über mehrere Seiten geht, wird die Überschrift auf den Folgeseiten komplett wiederholt [Ausnahme: Tabelle L, mit drei unterschiedlichen Inhaltsbeschreibungen].
Die Reihenfolge der Tabellen ist in einem Fall inkorrekt (Tabelle IV steht nach Tabelle V; am oberen Rand von fol. 52v, 53v und 54 mit Tab. V und IV jeweils der Vermerk „NB Ist versetzt.“), und einige Tabellennummerierungen sind offenbar fehlerhaft: In ihnen fehlen römische Zahlzeichen (z. B. „XXVII“ (fol. 78v) (statt „XXXVIII“) nach „XXXVII“; nach „XXIX“ (fol. 72v) „XXII“ und „XXIII“ statt „XXXII“ und „XXXIII“) oder sie sind in anderer Weise fehlerhaft (z. B. nach „XXV“ (fol. 69r) „XIX“ statt „XXVI“).
Auch die römische Zahl der letzten Tabelle ist wohl inkorrekt (nach den Tabellen „LIV […] Galmeyen“ und „LV“ folgt erneut eine mit „LIV“ bezeichnete Tabelle mit Proben von „Granaten, Kristallen, Amethisten, Carneolen und andere Steine“, die wohl korrekt die Nummer „LVI“ haben müsste). Insgesamt werden somit 56 „Auszüge“ aufgelistet.
Die Tabellen sind dreispaltig: Spalte 1 („Nro der Stuffen“) enthält eine laufende Objektnummer jeweils für die Proben derselben Materialart. Wenn eine Schublade Proben verschiedener Materialien enthält, gibt es in der Tabelle mehrere mit „1“ beginnende Zahlenreihen (z. B. Tabelle I und LIII); ebenso läuft die Zählung in manchen Fällen über mehrere Schubladen hinweg, wenn sie Proben desselben Stoffes enthalten (z. B. II und III, VI und VII, VIII und IX [= VIIII]). Tabellenspalte 2 enthält eine Bezeichnung bzw. Beschreibung der Probe mit Angabe des Fundorts. In Spalte 3 („Die Stuffen wiegen“) ist das Gewicht der Probe in Mark und Lot verzeichnet.
Für die Identifikation der Objekte in Blumenbachs „Catalogus“ des Academischen Museums von 1778 sind die Beschreibungen in Tabellenspalte 2 von Bedeutung, die Blumenbach teilweise wörtlich übernommen hat. Darüber hinaus existieren zu manchen Objekten Etiketten (von Blumenbachs Hand oder aus späterer Zeit) mit einer Beschreibung und einer Inventarnummer, gebildet aus der (Teil)sammlungssigle „Schlüter“, der römischen Tabellennummer und der laufenden Nummer in Spalte 1 der Tabellen (z. B. „Schlüter LV.33“ für einen Bergkristall, heute Göttingen, Geowissenschaftliche Sammlung, GZG HST 0.023). Die Gewichtsangaben wurden weder in den „Catalogus“ noch für die Etiketten übernommen.
Kopf von Tabelle XLVII des Verzeichnisses der „Schlüterschen Mineraliensammlung“. Niedersächsisches Landesarchiv Hannover, NLA HA Hann. 92 Nr. 1016, fol. 85v.
Die Probe Nr. 1 und 2 werden beschrieben als „Rohtgediehen Antimonium von Schneberg in Sachsen[;] 2 3/8 Lot“ und „Ein Stüfgen desgleichen, wohlgewachsen, daher[;] 1 1/4 Lot“.
Blumenbach-Kontext
Umfang der Schenkung von 1777
Aufbau des Verzeichnisses
Fossilien aus der Sammlung von Gottfried Wilhelm Leibniz
Unter den 1777 geschenkten Objekten waren auch einzelne Fossilien aus dem von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) angelegten Naturalienkabinett, vgl. Reich, Mike; Gehler, Alexander: „Gottfried Wilhelm Leibniz’ Sammlung geowissenschaftlicher Objekte. Eine Spurensuche“. In: Wellmer, F. W. et al. (Hrsg.): Gottfried Wilhelm Leibniz. Protogaea sive de prima facie telluris et antiquissimae historiae vestigiis in ipsis naturae monumentis dissertatio. Hildesheim, Zürich, New York: Olms-Weidmann, 2014, S. LIX-LXX. Auf die Leibnizschen Fossilien wies Blumenbach bereits 1778 in einer Beschreibung der Schenkung hin:
Im Jahr 1777 ist auf Ihro Majestät Befehl, auch die Mineralien-Sammlung, die bis dahin auf der Bibliothek zu Hannover gestanden, mit dem akademischen Cabinet verbunden worden. Diese ist vorzüglich wegen der zahlreichen Gold- und Silber-Stufen, und wegen der vielen seltnen Spatdrusen von ausserordentlicher Größe, schätzbar. Unter den Silberstufen ist unter andern ein Stück gediegenes Silber mit etwas Rothgülden, was blos am innern Werth gegen 1700 Rthlr. hält: und unter den Kalk- Gyps- und Fluß-Spaten finden sich alle Arten, die seit hundert Jahren auf dem Harz gebrochen worden. Theils rührt diese Collection von dem großen Mineralogen Schlüter, theils aber vom Herrn von Leibnitz her, der verschiedne der hier befindlichen Petrefacte in seinen Protogäis beschrieben und abgebildet hat.
Aus: „Etwas vom Akademischen Museum in Göttingen“. In: Göttinger Taschen-Calender: für das Jahr 1779. Göttingen: Dietrich: [1778], S. 45–57, hier S. 52 (Bibliographie Nr. 01012).
Bisher konnten drei dieser Stücke in den heutigen geowissenschaftlichen Sammlungen der Universität Göttingen identifiziert werden: eine fossile Auster aus Worchestershire/England (heute Göttingen, Geowissenschaftliche Sammlung, GZG HST 0.445), ein fossiler Schachtelhalm (GZG HST 00916; Abbildung in Beisiegel, Ulrike (Hg.): Die Sammlungen, Museen und Gärten der Universität Göttingen. Zweite Auflage. Göttingen: Universitätsverlag, 2018, S. 138; downloadbare Online-Version.) und der Backenzahn eines Wollhaarigen Mammuts (GZG HST 0.500; Abbildung in Reich, Mike; Gehler, Alexander: „Die Knochen der Eiszeitriesen “. In: Georgia Augusta. Wissenschaftsmagazin der Georg-August-Universität Göttingen 8 (2012), S. 44–50, S. 48 [Digitalisat]). Bei dem Backenzahn handelt es sich um das Abbildungsoriginal zu einem Kupferstich (Tab. XII) in Leibniz’ 1749 posthum veröffentlichtem Werk Protogaea: sive de prima facie telluris et antiquissimae historiae vestigiis; Digitalisat. Weitere, bereits 1937 identifizierte Göttinger Leibniziana, darunter auch Abbildungsoriginale, wurden 1945 bei der Explosion eines Auslagerungsdepots vernichtet (vgl. Reich und Gehler, 2014, S. LXIII).
Dass die Leibniz-Objekte in den Kontext der Schlüterschen Mineraliensammlung gerieten, ist möglicherweise auf den Hannoveraner Hofrat und Bibliothekar Christian Ludwig Scheidt (1709–1761) zurückzuführen. Scheidt war einerseits der Herausgeber der Protogaea, und andererseits war er ab 1748 Bibliothekar an der Königlichen Bibliothek in Hannover und 1750 mit dem Ankauf der Schlüterschen Sammlung befasst (vgl. Dougherty, a.a.O., Brief 56).
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